Wohnung: Raucher und ihre Rechte

Gesundheit gegen Grundrecht – Kann Rauchen auf dem Balkon eingeschränkt oder verboten werden?

Der Nichtraucherschutz ist auf dem Vormarsch, die Rechte des Rauchers werden eingegrenzt. Bars, Kneipen und Restaurants sind überwiegend rauchfrei, Bahnhöfe und öffentliche Einrichtungen haben begrenzte Raucherzonen/-räume, Unternehmen lassen ihre rauchenden Mitarbeiter ausstempeln und vor die Türe gehen. Zur Rechtmäßigkeit solcher und ähnlicher Maßnahmen sind die Meinungen geteilt.

Noch kritischer wird die Beurteilung von „gerecht oder ungerecht“ dann, wenn sich etwaige Verbote oder Rechte auf die eigenen vier Wände beziehen. Im Folgenden soll eben dieser heikle Bereich genauer beleuchtet werden, im Speziellen geht es um Fragen rund um das Rauchen auf dem eigenen Balkon beziehungsweise die Möglichkeit, nachbarschaftliches Rauchverhalten einzuschränken.

Szenarien, die sich überall ereignen könnten …

Ein junges Elternpaar möchte den Sommertag auf seinem Balkon verbringen und der kleinen Tochter beim Spielen zusehen. Währenddessen liest der unter ihnen gelegene Nachbar die Wochenendausgabe seiner Zeitung und qualmt dabei eine Zigarette nach der anderen. Die dadurch entstehende Geruchs- und Rauchbelastung zwingt die Familie, sich trotz des schönen Wetters in ihre Wohnung zurückzuziehen.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag möchte ein Geschäftsmann sich entspannen, indem er auf seinem Balkon ein Glas Wein genießt und dazu die eine oder andere Zigarette raucht. Doch abzuschalten ist nicht möglich, da die Nachbarin von oben ständig wettert, er solle sofort seine Zigaretten ausmachen, da sonst ihre gesamte Wäsche stinken würde.

Freilich sind diese Geschichten fiktiv, mitunter auch ein wenig suggestiv. Wohingegen im ersten Fall vermutlich jeder Mitleid mit der unter dem Rauch leidenden Familie haben wird, kann sich im zweiten Fall jeder in den rauchenden Geschäftsmann hineinversetzen, der von der Meckerei der vermeintlich wenig verständnisvollen Nachbarin genervt ist.

Ähnliche Szenarien spielen sich jedoch zu genüge in sämtlichen Wohnhäusern ab, in denen Raucher und Nichtraucher als Nachbarn aufeinandertreffen. Welche Partei „im Recht“ ist und worin genau die Rechte des Einzelnen begründet liegen, ist vom Einzelfall abhängig. Einige Grundlagen, gilt es zu berücksichtigen:

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Das Rauchen in der eigenen Wohnung ist nicht zu verbieten

Wer intuitiv annimmt, Nichtraucher seien generell zu bevorzugen, da ihre Position die vernünftigere und gesündere Lebensvariante darstellt, der irrt. Denn tatsächlich ist es so, dass „Raucher und Nichtraucher (…) die gleiche Rechtsposition“ haben. Dies erklärt der Vorsitzende des Gesetzgebungsausschusses für Miet- und Wohnrecht des Deutschen Anwaltsvereins.

Rauchen ist ein Persönlichkeitsrecht. Raucher und Nichtraucher sind rechtlich absolut gleich gestellt.

So gesehen darf jeder in seiner Wohnung – und somit auch auf seinem Balkon oder seiner Terrasse – rauchen, wenn er das denn möchte. Für viele Gerichte gilt das heimische Rauchen als Teil des individuellen Persönlichkeitsrechts, weshalb es auch grundsätzlich erlaubt ist.

Eine Einschränkung wurde jedoch vom Bundesgerichtshof dahin gehend getroffen, dass der Zigarettenkonsum und mögliche Spuren durch das Nikotin im Rahmen bleiben muss. Sobald der resultierende Schaden nicht mehr durch herkömmliche Schönheitsreparaturen (z. B. das Überstreichen vergilbter Wände) beseitigt werden kann, ist nicht mehr von einem „vertragsmäßigen Gebrauch“ der Mietsache zu sprechen.

Diesen Rechten gegenüber steht jedoch die Tatsache, dass man in einer Hausgemeinschaft aufeinander Rücksicht zu nehmen hat, was gewissermaßen impliziert, dass Raucher darauf zu achten haben, ihre Nachbarn nicht durch ihren eigenen Zigarettenkonsum einzuschränken oder zu belästigen.

Wo hört zumutbar auf und wo fängt Belästigung an?

Diese Frage zu klären, ist gar nicht so leicht. Christina Stresemann, Richterin am Bundesgerichtshof, betont, dass nicht jede kleine Beeinträchtigung gleich eine Störung sei. Dies verdeutlicht, wie wichtig eine genaue Klärung der Umstände ist: Im Falle einer Anklage, die von den unteren Gerichtsinstanzen abgelehnt wurde, kritisierte Frau Stresemann insbesondere, dass sich keiner der zuvor zuständigen Richter die Mühe gemacht habe, die Wohnung und den Balkon des klagenden Ehepaares zu begutachten.

Genau das wäre aber nötig gewesen, um sich ein angemessenes Bild vom Ausmaß der Belästigung durch den rauchenden Nachbarn zu machen. Ein solches Vorgehen ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob die Belastung durch den Rauch zumutbar ist oder nicht.

Eine Einschätzung hierüber hat auf dem „Empfinden eines durchschnittlich verständigen Menschen“ zu basieren. Insofern halten es Richter durchaus für möglich, Einschränkungen für Raucher auszusprechen, wenn wesentliche Belastungen für die nicht rauchenden Nachbarn entstehen, die ein zumutbares Maß überschreiten.

Einige Beispiele für zum Thema getroffene Urteile

Das Landgericht Frankfurt am Main hat im August 2014 beschlossen, einem Raucher den Zigarettenkonsum auf einem seiner Balkone zu verbieten. Stattdessen muss er nun auf seinen zweiten Balkon ausweichen, obwohl der Raucher dies für nicht zumutbar hielt, da dieser nur durch sein Gästezimmer erreichbar ist. Sein Nachbar fühlte sich durch den in sein Schlafzimmer ziehenden Rauch belästigt und bekam recht.

Deutsche Gerichte sind an keine einheitlichen Regelungen gebunden und entscheiden stets im Einzelfall. Zur Disskussion stehen jeweils die persönliche Freiheit des Rauchers und die entstehende Belästigung anderer Anwohner bei zu massivem Zigarettenkonsum etc.

Ähnliches vollzog sich im Dezember selben Jahres vor dem Amtsgericht München: Hier wurde eine Raucherin damit beauflagt, ihre Eigentumswohnung nur zu bestimmten Zeiten zu lüften (um den Rauch entweichen zu lassen) und nur zeitlich begrenzt auf dem Balkon zu rauchen. Auch hier hatte sich eine über ihr wohnende Nachbarin durch das Rauchverhalten gestört gefühlt. Die Klägerin hat keine andere Möglichkeit, sich des Rauches zu erwehren, da sämtliche Fenster beider Wohnungen auf derselben Hausseite gelegen sind.

Das bereits angesprochene Verfahren des brandenburgischen Ehepaares, welches sich durch den Zigarettenqualm des Nachbarn eingeschränkt sieht und daher eine zeitliche Reglementierung seines Rauchverhaltens forderte, wurde auf zwei Instanzen abgelehnt. Aufgrund der ebenfalls bereits geschilderten Ansichten des Bundesgerichtshofes wurde das Verfahren nun wieder an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen, um genauer zu klären, ob eine zeitliche Beschränkung nicht doch angebracht ist.

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Kommt es zu keiner befriedigenden Einigung: Möglichkeit der Mietminderung

Das Amtsgericht Lübeck und das Landgericht Hamburg sind sich dahin gehend einig, dass nicht rauchende Mieter Anspruch auf eine Mietminderung von bis zu fünf Prozent der Bruttomiete haben. Das Berliner Landgericht sprach sich sogar für zehn Prozent aus. Wie hoch die Minderung im Einzelfall ausfallen kann bzw. ob sie überhaupt angemessen ist, hängt von der Stärke und der Dauer der Rauchbelästigung ab, so Gerold Happ von einem Berliner Eigentümerverband.

Um des lieben Friedens willen …

… raten Juristen zu gegenseitiger Rücksichtnahme und fairer Behandlung. Wie die eingangs geschilderten fiktiven Beispiele zeigen, ist die Frage nach Rechtmäßigkeit stets Sache der Interpretation und bildhaft gesprochen davon abhängig, in welchem Stockwerk man sich befindet. Entsprechend sollten Raucher ebenso darum bemüht sein, die Rauchbelastung für ihre Nachbarn so gering wie möglich zu halten, wie Nichtraucher sich dazu ermahnen sollten, Toleranz zu zeigen und ihren Nachbarn nicht mit Strichliste und Stoppuhr aufzulauern.